28. März 2024

Fliegen und CO2 – Fakten zum Klimawandel

Welche Verantwortung hat das Fliegen für den CO2-Ausstoß?

Sollte ich wirklich noch in den Urlaub fliegen? Muss Fliegen wegen des Klimaschutzes teurer werden? Ist Flugverkehr wirklich Klimakiller Nummer 1? Hier einige (überraschenden) Fakten.

Haben Sie mal „Klimakiller 1“ gegoogelt? Die Antworten, die Google auswirft, sind schon sehr aufschlussreich. Für den BUND Deutschland ist die Braunkohle Klimakiller Nummer 1, , für die Tierschutzpartei Massentierhaltung, für das Wissenschaftsmagazin Science Kinder und für den BUND Hessen bald der Flugverkehr. Jeder scheint sich den Klimakiller auszusuchen, der ihm gerade am besten in die Argumentation passt.

Flugverkehr Klimakiller Nummer 1?

Wie sieht es also wirklich beim Flugverkehr aus? Je nach Statistik ist Fliegen für zwei bis drei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Von Klimakiller Nummer 1 kann also keineswegs die Rede sein. Wesentlich mehr CO2 wird bei der Energieerzeugung oder im Verkehr im Allgemeinen erzeugt.

Wie viel CO2 verbraucht das Fliegen?

Wie fliege ich besonders klimafreundlich?

Bei Flugzeugen gilt wie bei vielen Autos: Je neuer das Modell ist, desto weniger verbaucht die Maschine. Von daher lässt sich vom Alter einer Flugzeug-Flotte auch auf deren CO2-Ausstoß schließen. Weitere Faktoren sind der konkrete Verbrauch einer Maschine, die Auslastung des Flugzeugs sowie die Zahl der Passagiere, die an Bord sind. Je mehr in einem Flugzeug sitzen desto niedriger ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Kohlendioxid.

Berücksichtigen wir das alles, kommt dabei eine Nachricht heraus, die Umweltverbände gar nicht gern hören. In der Regel sind Billigflieger nämlich klimafreundlicher als traditionelle Airlines. Das liegt u.a. an der jüngeren Flugzeugflotte. Leider ist die offizielle Statistik des Bundesamtes für Statistik von 2013. In der Tendenz stimmt sie aber nach wie vor. Danach haben die Flotten von Billigfliegern wie Ryanair (4 Jahre) oder Easyjet (4,5 Jahre) ein wesentlich jüngeres Durchschnittsalter als Lufthansa (11,3 Jahre) oder Condor (15 Jahre) .

Billigflieger (hier auf dem Flughafen Weeze) sind kliamfreundlicher als traditionelle Airlines

Hinzu kommt, dass Ryanair natürlich wesentlich mehr Menschen in die Maschinen quetscht als traditionelle Airlines. Umweltorganisationen wie Atmosfair kritiseren, dass die Flugzeuge von Lufthansa „unterbestuhlt“ und von daher nicht effizient genug seien. Zudem liegt die Auslastung bei Ryanair (94% der Plätze sind pro Flug belegt) oder bei Easyjet (92%) wesentlich höher als bei Airlines wie der Lufthansa (79%). Wie aus Branchenkreisen zu hören ist, soll Ryanair zudem mit gedrosselten Triebwerken unterwegs sein, was zusätzlich Sprit (und Kosten) spart.

Diese These belegt auch eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes, die die CO2-Emissionen ausgewählter Airlines zwischen 2014 und 2017 untersucht hat. Leider listet die Studie nur die Daten von 16 Airlines auf, aber auch die sind aufschlussreich. Danach emittiert Singapore Airlines um 130 Gramm CO2 pro Passagierkilometer, American Airlines rund 115 und der Billigflieger EasyJet aber nur 80 Gramm. Das liegt an der hohen Auslastung der Maschinen, dem geringen Sitzabstand und an den relativ neuen Maschinen.

Dass Billigflieger in solchen Statistiken besonders gut abschneiden, passt natürlich schlecht in die Argumentation der Umweltverbände, die insbesondere Billigflieger für grundsätzlich böse halten. So führt beispielsweise Atmosfair in seinen Untersuchungen einige objektiv nicht messbare Faktoren (angebliche Subvention, die auch andere Airlines erhalten, und zu viel Werbung für besonders preiswerte Flüge) ein, die zur Folge haben, dass Billigflieger nicht zu weit oben in den Statistiken auftauchen. Trotzdem landet Ryanair in der Statistik in der Effizienzklasse B, Lufthansa nur in C (Statistik von A = sehr gut bis G = ungenügend).

Kerosinsteuer einführen?

Weil Kerosin nicht besteuert wird, bezeichnete die Zeit die Luftfahrt in einem Artikel als „subventionierte Umweltsau“. Nach einer Initiative von Frankreich und der EU scheint die neue Steuer auch in der deutschen Politik (sogar bei CDU/CSU und FDP) mehrheitsfähig zu sein. Andere fordern schon länger, dass die Luftfahrt nicht im Vergleich zu anderen Verkehrsformen bevorzugt werden darf.

Es stimmt, dass auf Kerosin keine Steuer erhoben wird. Dass der Luftverkehr eine „subventionierte Umweltsau“ ist, ist aber nicht haltbar. Diejenigen, die eine Kerosinsteuer fordern, lassen gern unter den Tisch fallen, dass es längst eine vergleichbare Abgabe in Deutschland gibt. Die Luftverkehrssteuer, die 2011 aus ökologischen Gründen eingeführt wurde. Die Abgabe ist gestaffelt nach Länge der Flugstrecken. Sie bezahlen diese Abgabe längst mit FlugtTcket, das Sie buchen (in 2019: 7,38 Euro pro Kurzstrecke, also beispielsweise EU, 23,05 Euro für die Mittelstrecke und 41,49 Euro für die Langstrecke, also zum Beispiel für Flüge in die USA).

Diese Pauschalen wurden in Deutschland eingeführt, weil die Bundesregierung eine europaweite Kerosinsteuer nicht durchsetzen konnte. Ähnlich wie in Deutschland werden Reisende nur in Großbritannien und in Österreich belastet. Die Niederlande haben eine solche Abgabe wieder abgeschafft, weil ihre Bürger danach zunehmend ab dem Ausland geflogen sind. Natürlich kann eine Kerosinsteuer, die sich nach Verbrauch richtet, sinnvoller sein, weil sie Fluggesellschaften dazu motivieren könnte, verbrauchsärmere Maschinen einzusetzen. Nur sollte zumindest erwähnt werden, dass bei uns Flüge längst belastet werden.

Wir dürfen gespannt sein, ob diese Abgabe wieder abgeschafft wird, wenn eine Kerosinsteuer oder eine CO2-Abgabe kommt. Ich bezweifle das. Steuern werden ja eher selten bei uns wieder abgeschafft. Die 1902 zur Aufrüstung der kaiserlichen Kriegsflotte eingeführte Sektsteuer gibt es schließlich auch immer noch.

Soziale Gerechtigkeit

Bei der Diskussion um eine Kerosinsteuer scheint das Einkommen von Politikern oder Fridays-for-Future-Eltern die Grundlage zu sein. Natürlich macht es denen nichts, wenn sie ein paar Euro mehr für den Flug bezahlen. Das unterscheidet sie von meiner Friseurin, die sich eine einzige Woche Urlaub im Jahr gönnt, und dabei auf jeden Cent achtet. Dieses Jahr war sie für 400 Euro eine Woche auf Mallorca. Hat aber lange hin und her überlegt, ob sie sich das wirklich leisten kann.

Wenn wir Fliegen also verteuern, trifft das nicht den Oberstudienrat, sondern Menschen wie meine Friseurin. Wollen wir das wirklich, dass sich nur noch eine gut verdienende Schicht Erholung in der Sonne leisten kann? Wollen wir wirklich, dass die Kinder gut verdienender Eltern nach dem Abitur erstmal zur Auslandserfahrung nach Australien geschickt werden, sich nicht ganz so vermögende Menschen aber keine Flüge mehr leisten können? Schon heute haben Kinder von Geringverdienern weniger Chancen. Auslandserfahrungen werden in einer globalisierten Welt immer wichtiger, um am Arbeitsmarkt zu bestehen. Eine solche Steuer würde die Zwei-Klassen-Gesellschaft weiter zementieren.

Das ist auch denen bewusst, die eine Kerosinsteuer fordern. Die Grünen nahe Heinrich-Böll-Stiftung nimmt dies in einer Studie mit „Soziale Gerechtigkeit in der Klimapolitik“ in Kauf. Dort heißt es auf Seite 73: „Auch ohne Klimapolitik muss sich nicht jeder Deutsche und nicht jeder Mensch weltweit (…) einen Flug nach Teneriffa leisten können. Dass Klimapolitik soziale Verteilungswirkungen hat, muss damit von den Prinzipien freiheitlich-demokratischer Gesellschaften her nicht per se unterbunden werden.“ Übersetzt heißt das also: Wer sich den Aufschlag auf den Flugpreis nicht leisten kann, muss halt zuhause bleiben. Pech gehabt.

Tourismus ist Entwicklungshilfe

In der Politik wird seit dem Flüchtlingsjahr 2015 darüber diskutiert wie wir Fluchtursachen bekämpfen können, um Migration zu verhindern. Tourismus trägt auf jeden Fall dazu bei. Wenn wir ab morgen nicht mehr in ferne Länder fliegen, ist das eine Katatstrophe für Entwicklungs- und Schwellenländer. Nach einer Studie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das bei uns für Entwicklungshilfe zuständig ist, fliegen jedes Jahr elf Millionen Deutsche in Entwicklungs- und Schwellenländer. Tendenz steigend. Allein die deutschen Touristen sichern damit 1,8 Millionen Arbeitsplätze.

Noch eindrücklicher sind diese beiden Zahlen: Die deutschen Touristen lassen bei ihren Reisen 19 Milliarden Euro in den Entwicklungsländern. Diese Zahl ist deshalb so beeindruckend, weil das mehr als doppelt so viel ist wie unser Staat für Entwicklungshilfe ausgibt. 2017 waren das gerade mal 8,5 Milliarden Euro. Das Geld, das Touristen in diesen Ländern ausgeben, fließt dort häufig in Infrastrukturprojekte. Wer Touristen anlocken will, muss beispielsweise Straßen oder Eisenbahnen bauen. Von dieser Investition profitiert letztendlich die gesamte Wirtschaft eines Entwicklungslandes.

Doch auch für europäische Länder wäre eine Abkehr vom Reisen eine Katastrophe. Spanien gehört mit jährlichen Einnahmen von über 65 Milliarden US-Dollar zu den Top 3 der Tourismusländer auf der Welt. 2,3 Millionen Menschen sind in der Tourismusbranche beschäftigt. Mehr als jeder achte lebt vom Tourismus. In der Statistik finden sich zudem zahlreiche Entwicklungs- und Schwellenländer wie Thailand (57 Mrd. jährlicher Umsatz), Malaysia (22 Mrd.) oder die Dominikanische Republik (5,6 Mrd.)

Arbeitsplätze in Deutschland

Luisa Neubauer, die deutsche Sprecherin von Fridays for Future, hat mir kürzlich im Interview erzählt, dass der Staat dort einspringen soll, wo die Klimapolitik Arbeitsplätze vernichtet. Ein teurer Spaß. Wir müssten also erstmal die 19 Milliarden, die Deutsche in Entwicklungsländern ausgeben, als Entwicklungshilfe bezahlen. Zudem müssten wir eine Lösung für die 350.000 direkt bei Flughäfen und Airlines angesstellten Menschen finden. Und für mindestens genauso viel Personen, die indirekt vom Flugverkehr leben. Die Luftfahrtbranche beziffert die Zahl der direkt und indirekt Beschäftigten auf über 800.000 (siehe Grafik unten).

Das Deutsche Zentrum für Raum- und Luftfahrt beschränkt sich bei seiner Berechnung auf die in der Industrie beschäftigten Personen und kommt so auf 100.000 Arbeitsplätze. Das Bundes-Institut verweist jedoch auf die strategische Bedeutung der Branche sowie auf die hohen Forschungsausgebaen. Und auf das große Wachstum und die damit verbundenen Zukunftschancen.

Wie viel Kerosin verbrauchen Flugzeuge?

Auf diese Bilanz wäre die Autoindustrie stolz: Der Durchschnittsverbrauch der deutschen Fluggesellschaften hat sich seit der Wiedervereinigung nahezu halbiert. Laut einer Erhebung des deutschen statistischen Bundesamts verbrauchte eine Maschine 1990 noch 6,3 Liter pro Passagier auf 100 Kilometern, 2016 lag dieser Wert nur noch bei 3,6 Litern. Mittlerweile ist der Verbrauch weiter gesunken. Das ist umso erstaunlicher, da eine Maschine gut und gerne auf 30 oder 40 Lebensjahre kommt. Flugzeuge werden also nicht so schnell ausgetauscht wie Autos.

Alternative Antriebe

Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wann und ob ein klimaneutrales Fliegen möglich ist. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt forscht an Flugzeugen, die bis zu 30 Prozent weniger Kerosin verbrauchen, die mit Brennstoffzellen, Sauerstoff, Wasserstoff, Bio-Kerosin aus Pflanzen oder Solarenergie fliegen. Das Solarflugzeug von Bertrand Piccard hat immerhin schon 2015 die Welt umrundet. Wenn auch in mehreren Etappen. Aber immerhin ein Anfang.

Über die alternativen Antriebe und das Aussehen der Flugzeuge der Zukunft habe ich auch einen spannendes Interview geführt. Das könnt ihr in meinem Podcast unten anhören. Eine schriftliche Zusammenfassung findet ihr auch hier in meinem Blog.

Reisen bildet

Zugegeben der Spruch ist abgegriffen, stimmt aber trotzdem: Reisen bildet. Und es schärft den Blick auf unsere Politik. Wer in Tokio oder Singapur die U-Bahn betritt, fragt sich unweigerlich, warum es eigentlich bei uns nicht funktioniert, dass Bahnen im Minutentakt fahren. Kritiker des Autoverkehrs verweisen gern auf Singapur, dass die Zulassung von Autos beschränkt hat. Wer vor Ort ist, sieht aber auch wie sie das geschafft haben: Mit schnellen Takten im ÖPNV, mit U-Bahn-Tickets, die nur ein paar Cent kosten. Zudem wurde das Netz von Bahn- und Buslinien so eng gestrickt, dass niemand in Singapur weiter als 100 Meter bis zur nächsten Haltestelle gehen muss.

Wer die Nachbarländer Botswana und Simbabwe besucht, sieht beispielsweise, dass Länder mit ähnlichen Vorraussetzungen sich komplett anders entwickeln können. Hier die Vorzeige-Demokratie und -Marktwirtschaft Botswana mit einem für Afrika hohen Wohlstand (auch dank Tourismus) und einer Korruptionsrate, die niedriger als die Italiens ist. Nebenan das von einem Diktator heruntergewirtschaftete Simbabwe, in dem die Menschen hungern und fliehen. Übrigens nicht nach Deutschland, sondern ins benachbarte Südafrika. Afrika ist nicht gleich Afrika und die Probleme liegen eben nicht nur in der Kolonialisierung begründet. Viele sind hausgemacht. Das alles erfährt man aber nur direkt vor Ort.

Ein drittes Beispiel: Bei uns verweisen Veganer gern darauf, dass der Regenwald am Amazonas wegen der Viehwirtschaft abgeholzt wird. Könnte man glauben, vor Ort zeigt sich aber ein ganz anderes Bild: Ja, es gibt die Flächen mit Rindern, das Hauptproblem sind aber Goldsucher und Klein-Bauern, die brutal den Wald abbrennen, um Maniok und Maracuja anzupflanzen. Eins habe ich auf meinen Reisen gelernt: Die Welt ist anders als sie bei uns in Medien oder von Verbänden dargestellt wird. Und: Unser Land ist technologisch eben nicht ganz vorn dabei. Da gibt es viele wesentlich fortschrittlichere Länder. In Sachen Verkehr, E-Government oder Bezahlmethoden.

Und ich weiß: Ich möchte nicht unter der chinesischen Dauerüberwachung durch Kameras an jeder Ecke leben. Eine wichtige Erfahrung, die mich viel sensibler für Überwachungsprojekte bei uns gemacht hat. Und natürlich gibt es auch die Wasserfälle von Iguazu oder die Victoriafälle, Machu Picchu, Angkor Wat etc. Natur- oder von Menschenhand geschaffene Denkmäler, die mir bei meinen Besuchen vor Augen geführt haben wie schön diese Welt ist.

Fazit

Wollen wir auf diese Erfahrungen wirklich verzichten? Wollen wir Stubenhocker in einer globalen Welt werden? Wie er mit dem Fliegen umgeht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Nur: Eine pauschale Verurteilung von Flugreisen ist zu einfach gedacht. Es spielen viele Faktoren mit in die Diskussion. Und es gibt eben zahlreiche gute Argumente, weiter in die Welt zu fliegen, sich zu erholen, zu lernen und erstaunliche Dinge zu sehen.

Text/Fotos (c) Michael Westerhoff

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