Wer das Massachusetts State House in Boston über die Haupttreppe betreten will, steht vor einem verschlossenen Metall-Tor. Das geht nicht nur Touristen so. Selbst der Gouverneur des Staates, Abgeordnete oder der Papst dürfen nicht über durch den Haupteingang marschieren. Wer das wann darf, ist genau festgelegt. Die Arbeit im Parlament beobachtet ein Fisch.
Ansonsten sind die Regeln aber wesentlich weniger streng als in Deutschland. Hierzulande müssen sich Menschen, die ein Landesparlament besuchen wollen, Wochen oder gar Monate vorher anmelden. In Massachusetts marschiert der Tourist in Shorts und T-Shirt zum Seiteneingang, zeigt kurz seinen Ausweis vor, schlüpft durch einen Metall-Detektor und steht binnen 30 Sekunden mitten in einem der ältesten Parlamente der USA.
„Warum baumelt da ein Kabeljau?“ – das ist die wohl am häufigsten von Besuchern gestellte Frage im State House. Tatsächlich hängt im Kongress (direkt vor der Zuschauertribüne) ein Fisch. Kein echter. Einer aus Holz. Der wurde dem Parlament von den Fischern der Region geschenkt und soll die Abgeordneten daran erinnern, dass sie niemals die Interessen der Fisch-Wirtschaft aus den Augen verlieren sollen. Lobbyismus einmal anders.
Wenn eine Kongress-Sitzung läuft, kann sich jeder Besucher unkompliziert auf die Zuschauertribüne setzen. Auf den Fisch oder die Abgeordneten schauen. Im Kongress geht dabei zu wie in deutschen Parlamenten: Vorne redet einer, kein anderer Abgeordneter hört zu. Die unterhalten sich lieber untereinander. Oder schieben Nüsschen hin und her.
Keiner von ihnen ist über die Haupttreppe in das Gebäude von 1790, dessen Kuppel mit echtem Blattgold belegt ist, gelangt. Die wird nämlich nur zu besonderen Anlässen geöffnet: Wenn der Präsident kommt, am letzten Arbeitstag des Präsidenten und wenn eine Regimentsflagge aus dem Krieg zurückkehrt. Das ist allerdings eher selten und seit dem Vietnam-Krieg nicht mehr geschehen. Seither werden die Flaggen nach Washington DC gebracht.
Text/Foto (c) Michael Westerhoff