Vergessen Sie Ihren Stadtplan! In Hongkong können Sie nichts damit anfangen. Die Stadt hat Fußgänger konsequent aus den Straßen verdrängt.
Knapp anderthalb Kilometer ist der Weg von meinem Hotel zur Bauhinia, einer Sehenswürdigkeit in Hongkong. Ein Blick in den Stadtplan sagt: Einmal rechts, dann quer über mehrere Straßen, am Kongresszentrum links vorbei und schon sollte ich da sein. Ich sollte! Würde ich dem Weg tatsächlich folgen, würde ich bereits nach 300 Meter an einer unüberwindbaren sechsspurigen Straße scheitern.
Ähnliche Beispiele wird jeder Hongkong-Besucher schildern können. Unüberwindbare Straßen, Hochhäuser, die plötzlich im Weg stehen – der Regelfall in Hongkong. Die Stadtplaner haben haben Straßen konsequent für Fußgänger dicht gemacht. Stattdessen stehen quer durch die Stadt Kilometer lange Fußgängerbrücke, die so aber kein Stadtplan anzeigt.
„Autogerechte Stadt“ hieß dieses Konzept mal. Entwickelt von deutschen Stadtplanern. Der Fußgänger sollte sich konsequent den Bedürfnissen der Autos unterordnen. Von Kassel über Dortmund bis Hannover folgte der Wiederaufbau zumindest teilweise diesem Konzept. Später kamen neue Städte wie Bergkamen und Marl hinzu, die nach diesem Prinzip errichtet wurden. In Deutschland gilt diese Idee schon seit 40 Jahren als gescheitert, in Hongkong wird sie gelebt.
In meinem Beispiel heißt das: Um zur Bauhinia zu gelangen, muss ich 200 Meter nach rechts und dort rauf auf eine Fußgängerbrücke. Einen Kilometer geht es auf der „zweiten Ebene“ geradeaus. Das bedeutet: Auf der Brücke über Straßen, quer durch ein Einkaufszentrum und eine Hotellobby, wieder ein Stück über eine Brücke und an deren Ende erst auf einen Bürgersteig.
Colorfulcities-Video: Hongkong im Zeitraffer
Neben diesen Wegen über Brücken können Sie Strecken auch unterirdisch überwinden. Durch Kilometer lange Tunnel, die von U-Bahn-Stationen zum Ziel führen. Die größte Station auf der Insel Kowloon hat über 40 verschiedene Ausgänge, die mit Buchstaben von A bis L und dahinter noch mit Ziffern ausgeschildert sind, also beispielsweise A2 oder L6. Klingt komplizierter als es ist.
Auf Tafeln an U-Bahn-Stationen steht genau, welche Sehenswürdigkeiten sich an welchem Ausgang befinden. Und der Weg über Fußgängerbrücken und durch Hochhäuser ist ähnlich gut beschildert.
Das alles zeigt Ihnen nur leider kein Stadtplan an. Google schon. Die einfachste Routenplanung erfolgt also über Smartphone über die Google-Maps-App. Dann kommen Sie auch dort an, wo sie hinwollen. Und nach zwei, drei Tagen haben Sie sich ohnehin dran gewöhnt.
Highlights aus Hongkong im Colorfulcities-Video:
Text/Fotos/Video (c) Michael Westerhoff