Wer in Köln in den Hauptbahnhof fährt, rollt zwangsläufig über die Hohenzollernbrücke. Bekannt ist sie aber durch etwas anderes geworden: Durch tausende Schlösser, die Verliebte an ihr befestigt haben. Sie ist d i e deutsche Liebesbrücke.
Im Sommer 2008 soll es gewesen sein, dass das erste Pärchen am Gitterzaun, der Fußgänger vor durchrasenden Zügen schützt, das erste Schloss angebracht haben. Heute ist fast kein Platz mehr für Schlösser. Nach Schätzungen des Schloss-Herstellers Abus könnten bis zu 200.000 an der Brücke hängen. Doch woher kommt dieser Brauch?
„Elisabeth und Georg“ oder „Sabrina und Mehmet“ steht auf den Schlössern. Manchmal eingraviert, manchmal mit Edding drauf geschrieben. Dazu noch das Datum, an dem das Schloss angebracht wurde, das Paar geheiratet oder sich verlobt hat. Anschließend werfen die Paare den Schlüssel in den Rhein. Der kuriose Brauch soll die ewige Verbundenheit symbolisieren.
Ursprung des Brauchs
Seinen Ursprung soll der Brauch in Italien haben. Anfang der 90er-Jahre erschien der Roman „Drei Meter über dem Himmel“ von Frederico Moccia. Er beschreibt wie ein Paar an einer Tiberbrücke ein Schloss mit den Namen der beiden anbringt und die Schlüssel anschließend in den Fluss werfen. Moccia hat dabei auf einen vielen älteren italienischen Brauch zurückgegriffen, erklärt Michael Bräuer, Marketing-Manager beim Schloss-Hersteller Abus.
Vom Soldaten- zum Liebes-Schloss
„Bereits in den 50er- und 60er-Jahren haben italienische Soldaten Schlösser an Brücken angebracht“, so Bräuer: „Wer aus dem Dienst ausschied, befestigte das Schloss seines Spinds an einer Brücke“. Eine Episode, die so fast nirgendwo in Artikeln über die Liebesschlösser zu finden ist. Bräuer kann sie aber mit Fotos aus den 60er-Jahren belegen. Als Leiter des firmeneigenen Museums hat er die Geschichte des Brauchs intensiv erforscht.
Die ersten Liebes-Schlösser tauchten in Florenz und in Rom auf. Von dort verbreitete sich der Brauch schnell rund um die Welt. An der Brooklyn Bridge in New York hängen genauso wie an einer chinesischen, einer Wuppertaler Brücke oder an einer Brücke in Moskau Liebesschlösser. Die Hohenzollernbrücke in Köln soll die erste deutsche Liebesbrücke gewesen sein. Auf jeden Fall ist sie die mit den meisten Schlössern.
Gewicht Gefahr für Brücke?
Eine Gefahr für die Brücke geht von den 15 Tonnen Gewicht, die sich durch die vielen Schlösser angesammelt hat, nicht aus. Sagt die Deutsche Bahn. In Rom sah man das etwas anders: An der vom Schriftsteller beschriebenen Brücke Ponte Milvio in Rom ist das Anbringen der Schlösser bereits seit 2007 verboten. Der Bürgermeister wollte damit das historische Bauwerk vor Verschandelung schützen. Auch anderenorts, zum Beispiel in Hagen am Hengsteysee, blicken die Brückenbesitzer skeptisch auf den jungen Brauch. Die RWE als Besitzer des Bauwerks fürchtet, dass Rost ihrer Brücke zusetzen könnte.
Die Kölner haben dagegen das Geschäft mit den Schlössern entdeckt. Laut Tourismus-Büro kommen Paare häufig wieder, um sich „ihr“ Schloss anzusehen. Das sieht ein Stadt, die zum Teil vom Tourismus lebt, natürlich gern. Auch die Firma Abus aus Wetter an der Ruhr freut sich über den Brauch: Sie hat rund 90% der Schlösser produziert, die Paare an die Brücke gehängt haben. Dabei spielte der Zufall eine große Rolle. Gerade als sich der Brauch in Deutschland durchsetzte, hatte Abus eine bunte Schloss-Kollektion entwickelt. Ursprünglich für US-amerikanische Unternehmen, die mit der Schloss-Farbe vor Gefahren warnen wollen und diese im Zuge der Arbeitssicherheit einführten.
Viele Verliebte griffen gern auf die roten Schlösser zurück und sorgten für gute Geschäfte bei Abus, aber auch beim direkten Konkurrenten (und Nachbarn in Wetter an der Ruhr) Burg Wächter, der mittlerweile sogar BVB-Schlösser im Sortiment hat. Abus setzt dagegen auf eine neue Liebes-Kollektion mit eingravierten Herzen.
Text/Fotos/Nachbearbeitung (c) Michael Westerhoff