Wer Afrika fernab von jeglichem Tourismus erleben will, kann das am Viktoriasee sehr gut, muss sich aber auch mit großer Armut auseinandersetzen. Aus dem See stammt der bei uns sehr beliebte Viktoriabarsch.
Die Fahrt entlang des Viktoriasees ist ein Abenteuer an sich. Hinter dem Flughafen der Großstadt Kisumu enden die befestigten Straßen. Mini-Busse und Autos umkurven so gut es geht tiefe Schlaglöcher, in denen ein Esel verschwinden würde, würde man ihn hineinstellen.
Am See selber reiht sich ein Fischer-Dörfchen ans nächste. Früher lebten die Fischer gut von dem, was der riesige See hergab. Heute klagen sie über immer weniger Fische, die sie fangen. Trotz des Frischwasser-Sees herrscht hier Hunger. Klingt erstmal nach einem Widerspruch.
Die Geschichte der Armut beginnt in den 60er-Jahren: Damals wurden im See Barsche ausgesetzt. Barsche aus dem Nil, die ursprünglich auch Nilbarsche hießen, irgendwann aber einfach in Viktoriabarsch umgetauft wurden. Der Barsch kann bis zu zwei Meter groß werden und 200 Kilogramm wiegen. Die meisten sind aber „nur“ 85 Zentimeter lang.
Einige Jahre lebte die Fischindustrie tatsächlich sehr gut vom Barsch. Er vermehrte sich schnell, ist beliebt bei Europäern und wegen seiner Größe sehr ergiebig. Was aber niemand bedacht hatte: Der riesige Barsch futtert alles, was ihm über den Weg schwimmt. Jegliche Arten von Fischen. Also räumten die Barsche den kompletten Viktoriasee leer und brachten das Gleichgewicht der Natur durcheinander. Auch Krebse und Insekten gehören zu ihrer Beute. Nahrung, die anderen Fischen nun fehlt.
Die Fischer am Viktoriasee, die immer noch in traditionellen Holzbooten (siehe oben) unterwegs sind, kommen deshalb mit immer weniger Fisch nachhause. In ihrer Verzweiflung fischen sie auch kleine gerade erst geschlüpfte Jung-Fische, was zu einer weiteren Reduzierung der Fischarten führt. Dabei helfen auch keine Vorschriften der Regierung, dass junge Fische nicht mehr aus dem See geholt werden dürfen. Wer Hunger hat, dem sind solche Gesetze ziemlich schnuppe. Zumal Kenia nicht über eine funktionierende Verwaltung verfügt, die ordentliche Kontrollen durchführt.
Mittlerweile sind auch die Viktoriabarsche kleiner geworden. Schließlich finden auch die nichts mehr zu essen. Greenpeace warnt inzwischen vor dem Verzehr von Viktoriabarschen, weil die industrielle Fischerei zur Verarmung der normalen Landbevölkerung geführt hat.
Trotzdem: Die Landschaft am See, die bunten Farben und das einfache Leben der Landbevölkerung sind einen Trip rund um den See wert. Auch um zu sehen und zu verstehen, warum Afrika ein so armer Kontinent ist.
Text/Fotos (c) Michael Westerhoff