Viel Glas, wenig Beton. Die Van-Nelle-Fabrik in Rotterdam ist eins der schönsten Industriegebäude der Welt. Seit 2014 steht es auf der UNESCO-Welterbe-Liste.
Dunkel und dreckig. So sahen die Fabriken des 19. Jahrhunderts aus. van Nelle wollte mit seinem Neubau weg von diesen menschenfeindlichen dunklen Löchern, in denen zu jener Zeit gearbeitet wurde. Wie gut, dass in den USA die ersten Versuche mit der „Daylight Factory“ liefen, in Dessau das Bauhaus und in Russland der Konstruktivismus entstand. Architekt Leendert van der Vlugt nahm Anleihen bei allen drei Architektuir-Konzepten und schuf eine der wunderbarsten Fabriken der Welt.
Viel Glas, viel Kontrolle
Gerade mal 27 Jahre war van der Vlugt als er Anfang der 1920er-Jahre mit den Planungen für die helle Tageslicht-Fabrik begann. Zwischen 1923 und 1931 wurde gebaut. Es entstand eine der hellsten Fabriken der Welt. Wenig weißer Beton und ganz viel Glas. Es wurden einige Bautechniken angewandt, die bisher in Europa nicht bekannt waren. Es entstand dabei ein wunderschönes helles Gebäude, in dem die Arbeit vermutlich mehr Spaß machte als in den üblichen Fabriken. Allerdings hatte das Glas auch für die Direktoren einen Vorteil: Sie konnten problemlos alle Mitarbeiter beobachten und kontrollieren.
Es gibt Führungen durch die Fabrik. Durchaus spannend, weil man einen Einblick in die Arbeitswelt zwischen den Weltkriegen bekommt. So waren die Zugänge für Frauen und Männer beispielsweise getrennt. Zudem gab es eine Kantine für Frauen, eine andere für Männer. Es sollte damit verhindert werden, dass die Arbeiter miteinander anbandelten.
Van Nelle beschäftigte 2.000 Arbeiter
Van Nelle gehört noch heute zu den bekanntesten Markennamen in den Niederlanden. Obwohl es die Firma schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt. 1782 hatte die Familie mit dem Import von Tabak, Tee und Kaffee begonnen. Der alte Firmenstandort des Unternehmens, das in Spitzenzeiten 2.000 Mitarbeiter beschäftigte, platzte aus allen Nähten. Deshalb beschlossen die Inhaber nach dem Ersten Weltkrieg, den Standort vom Hafen zu verlagern.
Bis Anfang der 1990er-Jahre wurde in der Fabrik produziert. Nach der Schließung ging das Geschäft mit Tee und Kaffee an Douwe Egberts, etwas später die Tabak-Sparte an Imperial Tobacco (Produzent u.a. von Gauloises, John Player, West). bereits seit den 1950er-Jahren waren internationale Investoren an dem Unternehmen beteiligt. 1990 hörte Van Nelle als eigenständiges Unternehmen auf zu existieren.
Rotterdam im Colorfulcities-Video:
Die Fabrikhallen wurden ab Anfang der 1990er-Jahre renoviert. 2004 erfolgte die Wiedereröffnung. Heute sind hier u.a. Büros, Gastronomie und ein Veranstaltungszentrum untergebracht. Wer sich für das Gebäude interessiert, kann einfach auf das Gelände fahren und dort nach Belieben rummarschieren. Hinter der Fabrik gibt es einen großen Parkplatz.
Text/Fotos/Video (c) Michael Westerhoff