Soest? Ausgerechnet Soest? Ja, Soest ist tatsächlich eine der digitalsten Städte Deutschlands. Hier werden Schlaglöcher digital erfasst. Die Bürgerdienste sind genauso digital wie Busse und Wettervorhersagen.
Eine wunderschöne Altstadt mit Fachwerkhäusern, die Allerheiligenkirmes, ein sehr schöner Weihnachtsmarkt mit vielen Kunsthandwerkern – das 50.000 Einwohner zählende Soest hat mehr Attraktionen als manch eine Großstadt. Und genauso ist es bei der Digitalisierung: Während viele Stadtverwaltungen bei digitalen Bürgerdiensten nicht voran kommen, macht Soest einfach. Und nimmt die Bürger dabei mit.
Die Fäden für die Projekte laufen in einem Fachwerkhaus in der Innenstadt zusammen. Im Stadtlabor. Geleitet von Hannah Hinrichs (siehe Podcast unten). In einem Regal liegen „ungelegte Eier“, in einem anderen (siehe Foto) wohnt eine Datenkrake. Das Stadtlabor ist so etwas wie die Brücke zwischen Bürgern und digitaler Stadtverwaltung. Hier können sich Bürger über die Projekte, den Fortschritt oder Digitalisierung im Allgemeinen formulieren. Das ist Soest wichtig: Auf dem Weg in die Zukunft sollen alle Bürger mitgenommen werden. Am besten sogar mitmachen.
Wetter-Stationen in privaten Gärten
So wie beim Wetter-Projekt. Bürgerwolke heißt das offiziell. Quer übers Stadtgebiet verteilt die Stadt 100 kleine Wetterstationen. 50 stehen in Gärten von Soestern. Sie messen Niederschlag, Wind, Temperaturen. Bisher gab es nur zwei Wetterstationen in Soest, nun also 100. Damit sollen kleinste Klimaveränderungen gemessen werden, an denen sich dann die Stadtplanung orientiert. Zum Beispiel um Frischluftschneisen zu erhalten. Durch die Stationen können aber auch Unwetter besser voraus gesagt werden. Die Feuerwehr kann im Notfall flotter ausrücken, um beispielsweise Überschwemmungen frühzeitig zu bekämpfen. Unterstützt und begleitet wird das Projekt vom Deutschen Wetterdienst und vom Fraunhofer Institut.
Schlaglöcher werden digital erfasst
Ein Ärgernis für viele Bürger sind auch die Schlaglöcher in Städten. In Soest fuhren die Straßen bisher gezielt Mitarbeiter der Stadt ab, um nach Löchern zu fahnden. Der Prozess war aber so langwierig, dass die Kontrolleure nur alle drei oder vier Jahre in bestimmte Straßen kamen. Seit Soest digitale Modellkommune ist werden die Schlaglöcher digital erfasst. In allen städtischen Autos sind Smartphones installiert, die bei jeder Fahrt den Zustand der Straßen nebenbei kontrollieren. Erkennt das Smartphone ein Loch funkt es diese Information ins Bauamt und im besten Fall rücken umgehend Bauarbeiter aus.
Weitere Infos zu dem Projekt auch hier in meinem Podcast mit Hannah Hinrichs:
Noch ein paar Beispiele: In Soest gibt es ein 3D-Stadtmodell, das von Handwerkern genutzt werden kann. Vorteil: Kein Dachdecker muss auf ein Dach klettern. Er sieht schon im 3D-Modell, wo das Dach beschädigt ist. Auf dem Friedhof experimentiert Soest ebenfalls mit einem Projekt. Dabei geht es um digitale Erinnerungen. Eine Vision für die Zukunft: Ich gehe mit dem Smartphone über den Friedhof, scanne an einem Grab einen QR-Code und erfahre etwas über die verstorbene Person. Jeder kann also in Zukunft seinen eigenen Nachruf einsprechen, der dann auf dem Friedhof abrufbar ist.
Auf einer Strecke zwischen Soest und Iserlohn wird autonomes Fahren getestet. Mit der Soest App kann ich auch längst nicht mehr existierende alte Häuser aus dem Mittelalter besichtigen. Im Bus checke ich mit Bluetooth und Smartphone ein. Die Abrechnung erfolgt automatisch und zwar nicht mehr pauschal wie heutzutage mit Preisstufen, sondern ich bezahle nur noch die tatsächlich gefahrene Strecke. Firmenfahrzeuge können abends als Car-Sharing-Autos genutzt werden. Und natürlich kann ich meine Hundesteuer digital bezahlen, kann die städtischen Dienstleistungen online nutzen.
Dies ist nur ein kleiner Auszug von über 20 Projekten. Ausführlich könnt ihr alles bei „Soest Digital“ nachlesen. Oder im Podcast nachhören. Der Podcast geht dabei noch ein Stückchen tiefer, auf der Webseite werden die Projekte nur angerissen.
Text/Fotos (c) Michael Westerhoff