27. April 2024

Reisetipps für den Ruhestand

Eine Kollegin von WDR 4 ist in den Ruhestand gegangen. Ich habe für sie einige Reisetipps zusammengestellt. Sicherlich auch für andere lesenswert.

Liebe Anette,

Du willst im Ruhestand mehr reisen. Falls es dich dann doch einmal über die Grenzen Deutschlands hinaus treiben sollte, habe ich für dich einige europäische Reiseziele zusammengestellt. Welche, die nicht so bekannt wie Venedig, Barcelona oder Kopenhagen sind. Und insbesondere nicht so überlaufen. Wenn Du die Links anklickst, gelangst Du zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in den erwähnten Städten.


1. Liverpool/Manchester

Der erste Tipp drängt sich bei einem Menschen, der in der Nähe von Dortmund wohnt, einfach auf: Liverpool. Die Stadt von Jürgen Klopp und eine, die ganz ähnlich wie das Ruhrgebiet ist. Früher schlug in der Region, zu der auch das direkt angrenzende Manchester gehört, das industrielle Herz Englands. Alte Fabriken, ein bisschen verfallen und ständig im Transformationsprozess. In der Stadt der Beatles fühlt sich der Ruhri gleich heimisch.

Das Albert Dock in Liverpool

Es ist spannend zu sehen wie Liverpool den Strukturwandel geschafft hat. Ein gutes Beispiel ist das Albert Dock, früher arbeiteten hier tausende Werftarbeiter. Heute sind hier Kunst und Gastronomie Zuhause. Die Tate Gallery und das Beatles-Museum „Yellow Submarine“. Aber eben auch Bars, in denen am Wochenende bis tief in die Nacht gefeiert wird, oder verschiedene Restaurants. Von dem Projekt kann sich das Ruhrgebiet eine dicke Scheibe abschneiden. Etwas Ähnliches passiert gerade auf einem alten Brauerei-Gelände (siehe Foto ganz oben), auf dem das Brewers Village mit Gastronomie entsteht.

Vorbildhaft ist auch das Liverpool-Museum. Eins der besten städtischen Museen der Welt. Und ohne Eintritt. Wie fast alle Museen in England. Mit Plakaten, viel Musik und riesigen Objekten wird hier die Stadtgeschichte Liverpools auf eine einmalige Art und Weise erzählt. Natürlich tauchen auch die Beatles hier wieder auf. Genauso wie die Fußballgeschichte mit den beiden Teams Liverpool FC und FC Everton.

Leider fliegen die deutschen Airlines hauptsächlich nach Manchester. Liverpool ist von dort mit Bus oder Bahn aber in 20 bis 30 Minuten erreichbar. Das hat zudem den Vorteil, dass man bei einer Städtereise Manchester gleich „mitnehmen“ kann.


2. Bilbao

Auch Bilbao war einmal ein industrielles Zentrum, das einen ähnlichen Niedergang wie das Ruhrgebiet verkraften musste. Ein einziges Gebäude hat hier die Wende gebracht: Das Guggenheim-Museum. Seit es das in Bilbao gibt, strömen plötzlich Millionen Touristen in die Stadt und haben für einen unvergleichlichen Aufschwung gesorgt. Das Museum (insbesondere das Gebäude und die Kunstwerke drumrum) ist schon allein einen Besuch wert.

Jeff Koons‘ Puppy vor dem Guggenheim in Bilbao

Bilbao hat aber mehr zu bieten: Kleine Bars in den es wunderbare Pintxos, die baskische Variante der Tapas, gibt, eine tolle verwinkelte Altstadt oder die Weinberge rund um die Stadt, die ebenfalls einen Ausflug wert sind. Das Tolle an Bilbao: Du kannst dich in der Stadt in die Straßenbahn setzen und bis zum Meer fahren. Ein Spaziergang in Seebädern, die den Charme des letzten Jahrhunderts versprühen, ist ein schönes Erlebnis. Auch die Schwebefähre in Portugalete, einem Vorort von Bilbao, ist sehenswert.


3. Aarhus

Aarhus hat nur rund 280.000 Einwohner, aber wesentlich mehr als manche Großstadt zu bieten. Hier steht das Sommerschlösschen der Königsfamilie. Im ARoS-Museum gibt es moderne Kunst der Spitzenklasse und eine tolle Aussichtsplattform auf dem Dach. Mit „Den Gamle By“ („Die alte Stadt“) hat Aarhus das beste Freilichtmuseum, das ich jemals gesehen habe. Es werden drei Zeitalter dargestellt. Zum Beispiel die 70er mit einem alten Schallplatten-Geschäft, einem VW-Käfer, der in den Straßen steht. Man fühlt sich total in die Zeit zurückversetzt, weil die Macher wirklich auf kleinste Details geachtet haben.

Rundgang im ARoS-Museum – der Eintritt ist mit der Aarhus Card kostenlos

Auch die City hat einige Besonderheiten. Zum Beispiel Europas einzige beheizte Fußgängerzone. Eine Fußboden-Heizung sorgt dafür, dass die Einkaufsmeile auch im Winter schneefrei bleibt. Empfehlenswert ist auch ein Besuch der Aussichtsplattform auf dem Kaufhaus Sailing, von der man einen Blick über die ganze Stadt hat. Im Zuge der Kulturhauptstadt wurde die Innenstadt auf Vordermann gebracht. Jetzt kann man draußen am Fluss in Restaurants sitzen.

Weil Aarhus etwas tun muss, damit Touristen kommen, gibt es die relative preiswerte Aarhus-Card. Mit ihr geht’s umsonst in Museen wie „Den Gamle by“ oder „ARoS“, die Karte umfasst aber auch die Fahrt mit dem Hop-On-Bus und den gesamten ÖPNV. Aarhus gehört zu den unentdeckten Perlen, die ich dringend empfehlen kann.


4. Malmö

Noch eine unentdeckte Perle: Die schwedische Großstadt Malmö wird von Touristen häufig links liegen gelassen. Dabei ist sie dank Öreasundbrücke mittlerweile direkt mit Deutschland verbunden, ohne dass man eine Fähre nehmen muss. Da wären wir auch schon bei der ersten Sehenswürdigkeit: Die acht Kilometer lange Brücke.

Das Wohngebiet Västra Hamnen mit Turning Torso

Malmö besticht durch eine Mischung alter und neuer Gebäude. Es gibt eine herrliche Altstadt oder die Burg Malmöhus, auf der nachts in den Fenstern Gespenster ihr Unwesen treiben. Andererseits aber eben auch hochmoderne Architektur wie der verdrehte Turning Torso, das in einer sehenswerten Öko-Siedlung steht, oder das Veranstaltungszentrum Malmö Live.

Malmö liegt direkt am Meer. Der breite Strand lädt zu langen Strand-Spaziergängen ein. Und wenn es dann doch mal zu frisch oder zu windig ist, steht im Meer ein altes Badehaus aus Holz, in dem man sich aufwärmen und einen Kaffee trinken kann.

Malmö ist übrigens das bessere, naja sagen wir, das preiswertere Kopenhagen. In der überlaufenen dänischen Hauptstadt ist man ein Vermögen für ein schönes Zimmer los. In Malmö kosten schicke Hotels nur ein Drittel. Mit dem Zug ist man in 20 Minuten vom Hauptbahnhof in Kopenhagen. Im 30-Minuten-Takt fahren Züge zwischen Malmö und Kopenhagen.


5. Belfast

Eine Stadt, von der ich wenig bis nichts erwartet hatte. Nachher war ich überwältigt. Ein tolles Rathaus, die typische britische Innenstadt, die Universität und das Titanic-Museum gehören zu den Highlights. In Belfast wurden die Titanic und ihre Schwesterschiffe Olympic und Britannic gebaut. Auf dem Werftgelände steht heute eins der modernsten und interaktivsten Museen Europas. Du kannst durch den Ballsaal der Titanic laufen, Filme, Fotos und Plakate ergänzen das alles.

Das futuristische Gebäude des Titanic-Museums

Noch spannender finde ich aber, in die Geschichte des Nordirland-Konfliktes einzutauchen. Im Gegensatz zu den Berlinern haben die Nordiren die Mauer, die früher Protestanten und Katholiken getrennt hat, stehen lassen. Ein 7,50 Meter hohes Bauwerk, das Straßenzüge voneinander trennt. Schauderhaft, schockierend, aber beeindruckend. Dasselbe gilt für die martialischen Murals, die typisch nordirischen Wandgemälde, auf denen Protestanten und Katholiken jeweils ihre Kämpfer wie Helden feiern.


6. Riga

Noch ein Blick in die baltischen Staaten: Nach Riga in Lettland. Auch nicht so groß, aber auch hier kann man sich gut mehrere Tage aufhalten. Riga hat vielleicht eine der schönsten Altstädte Europas. Deutsche Kaufleute haben seit dem Mittelalter herrliche Prachtbauten errichtet, später kamen die Russen, die Hochhäuser und russisch-orthodoxe Kirchen wie in Moskau hochgezogen haben. Am Rand der Altstadt liegt zudem das wohl best erhaltene Jugendstil-Viertels Europas mit über 200 prächtigen Gebäuden.

Das Schwarzhäupterhaus (links Petrikirche) in Riga

In der Schokoladenfabrik kannst Du dich unter den Schokoladenbrunnen legen, Du kannst durch Europas größte Markthallen marschieren oder Kunst und Kultur in der alten Speicherstadt genießen. Eins hat Riga mit Bilbao gemeinsam: Auch in Riga kann man sich einfach in die Bahn setzen und ans Meer fahren. Nach Jumala (zu deutsch: Riga Strand), einem Badeort an der Ostsee mit sehr breitem Strand, und einer kleinen Fußgängerzone. Ein echt hübsches Örtchen.


7. Rotterdam/Den Haag

Die beiden niederländischen Metropolen liegen direkt nebeneinander, gehen teilweise sogar ineinander über. Sie könnten aber kaum unterschiedlicher sein. Hier das prächtige Den Haag, dort das eher Beton-Charme versprühende Rotterdam. Beide Städte lassen sich wunderbar miteinander verbinden, weil es eine Straßenbahn zwischen beiden gibt.

Der Binnenhof in Den Haag

Den Haag hat vielleicht eine der schönsten Fußgängerzonen Europas. Mit einem herrlichen Gebäude neben dem anderen. Auch der Binnenhof, in dem das Parlament sitzt, ist sehenswert. Gleich nebenan: Das Mauritshuis, in dem große niederländische Meister ausgestellt werden. Vermeers Mädchen mit den Perlenohrringen hängt hier beispielsweise. Auch den Haag hat eine Straßenbahn zum Meer, in den Badeort Scheveningen, der sich durch zahlreiche Modernisierungen inzwischen gemacht hat.

Die Nachbarstadt Rotterdam ist das komplette Gegenteil. Ein bisschen wieder wie im Ruhrgebiet. Weil deutsche Bomber fast die komplette Stadt zerstört haben, gibt es hier hauptsächlich Beton-Gebäude. Aber einige spannende darunter. Die Kubushäuser, quadratische Wohnwürfel aus den 70ern, die gigantische Markthalle oder die im Bauhausstil (und erhaltene) alte Van-Nelle-Tabakfabrik. Zu Rotterdam gehört natürlich auch eine Rundfahrt durch Europas größten Seehafen.


So, liebe Anette, die ersten Monate deines Ruhestands sind also verplant. Für weitere Tipps für die Zeit danach stehe ich gern zur Verfügung. Danke für die tolle Zusammenarbeit.

Michael

Text/Videos/Fotos (c) Michael Westerhoff

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