19. April 2024

Norwegen – das digitalste Land in Europa

Wie rückständig Deutschland in der Digitalisierung ist, wird bei einem Besuch in Norwegen klar. Von der Bestellung in der Kneipe über die Steuererklärung bis zum Lernen. Alles geht online.

Tauscht Ihr Geld um, wenn Ihr in den Urlaub fahrt? Oder zieht vor Ort mit der Bankkarte die ausländische Währung? Vergesst das in Norwegen. Ich war 14 Tage dort, ohne eine Krone Bares in der Tasche. Das will ohnehin niemand. Auch das Toilettenhäuschen könnt ihr mit der. Kreditkarte bezahlen. Oder besser gesagt: Ihr müsst, denn Bargeld kann man nicht einwerfen.

Bargeldlos auf Maut-Straße, Fähre und im Parkhaus

Auch Autobahnen, Fähren und Parkhäuser sind komplett digital. Brücken über den Straßen erkennen das Nummernschild und rechnen dann automatisch die Maut für Autobahnen, die Parkgebühren im Parkhaus oder den Ticketpreis für die Fähre ab. Bei Norwegern wird die Summe automatisch vom Konto oder von der Karte eingezogen. Als Ausländer kann man wählen, ob man eine Rechnung haben möchte oder die Gebühren von der Kreditkarte eingezogen wird. Fähren und Autobahnen können nicht mehr bar oder mit Karte bezahlt werden. Mauthäuschen oder Ticketschalter an Fähren sind abgebaut worden. Geht alles nur übers Nummernschild.

QR-Code auf einem Kneipentisch, über den man bestellen und bezahlen kann

Die digitalisierte Kneipe

So weit vielleicht noch halbwegs normal. Spannend wird es, wenn ihr in eine Kneipe geht. Es gibt voll digitalisierte Gaststätten. Das heißt: Ihr scannt am Tisch einen QR-Code mit euerm Smartphone. Auf dem Display erscheint dann die Karte, ihr klickt an, was ihr bestellen wollt. Und bezahlt auch gleich übers Handy. Die Bestellung wird dann an euern Tisch gebracht. Die Kellnerin weiß durch den QR-Code, wo ihr sitzt. Das hat sich insbesondere in Corona-Zeiten als klug erwiesen, weil die Kontakte so eingeschränkt wurden. Dieses System verwenden inzwischen die meisten Gastor-Ketten in Norwegen (Details in diesem Artikel).

Auch Schule digitalisiert

Apropos Corona: Mit Home-Schooling hatten die Norweger kein Problem. Es gibt nämlich bereits seit 2018 eine einheitliche Lernplattform, an die 2.000 Schulen angeschlossen sind. Darüber können Schüler auch auf 1.000 Schulbücher zugreifen. Keiner muss eins kaufen. Läuft alles online. Und wenn jemand krank ist oder bei Corona zur Risikogruppe zählte, auch kein Problem. Auf den Platz der Risikoschüler wurde ein Roboter gesetzt, der das Bild aus dem Unterricht zum Schüler nachhause übertragen hat. Dieser Roboter kann sich sogar melden, wenn sich das Kind von zuhause am Unterricht beteiligen will.

Geburt, Hochzeit, Tod – alles online

Die gesamte Verwaltung Norwegens ist ebenfalls digitalisiert. Jeder Norweger erhält eine ID, über die er mit Verwaltungen kommunizieren kann. Und zwar eine einzige ID für alle Behörden, die alle miteinander vernetzt sind. So können Pass, Geburtsurkunde, Totenschein oder Hochzeit online beantragt werden. Die kommen dann per Mail nachhause. Wer Anrecht auf Beihilfen vom Staat hat, kann die ebenfalls übers Netz beantragen. Der Rentenbescheid kann online kontrolliert, die Adresse im Einwohnermeldeamt geändert werden. Selbstverständlich funktioniert auch die Steuererklärung übers Netz. Die eigene Patientenakte und den Impfausweis kann man auch online einsehen.

Breitband an jeder Milchkanne

Das alles geht auch deshalb, weil im riesigen Flächenland 90 Prozent der Bürger ans Breitbandnetz angeschlossen sind. Während wir darüber diskutieren, ob es an jeder Milchkanne schnelles Netz geben muss, zieht Norwegen das in dem dünn besiedelten Land einfach durch. Selbstverständlich waren bereits 2018 94% an schnelles mobiles Netz (LTE/4G) angeschlossen.

Digitales Land Europas

In einer Studie der EU wurde Norwegen als digitales Land Europas ausgezeichnet. Bei der digitalen Verwaltung haben laut UNO Dänemark, Südkorea und Estland die Nase vorn. Hier belegt Norwegen „nur“ den 11. Platz. Deutschland rangiert etwas abgeschlagen auf Platz 23…

Text/Fotos (c) Michael Westerhoff

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