Normalerweise reißen sich Städte und Regionen um den Titel „UNESCO Weltkulturerbe“. Schließlich ist das gut fürs Image und bringt Touristen. Nur große Teile des Ruhrgebiets haben keine Lust auf den Titel.
Zu viele Pflichten. Zu viel Aufwand. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) ist skeptisch. Das Ruhrgebiet Weltkulturerbe? Besser nicht. Kufen weiß, wovon er redet. Mit der Zeche Zollverein steht in seiner Stadt das bisher einzige Weltkulturerbe des Ruhrgebiets. Er wollte dort ein Gründerzentrum ansiedeln, 2.000 Arbeitsplätze sollten entstehen. Letztendlich bekam aber Düsseldorf den Zuschlag für das Zentrum. Kufen schiebt das auf die hohen Auflagen, die bestehen, wenn sich jemand rund um die Zeche Zollverein ansiedeln möchte.
Vorangetrieben wird das Projekt Weltkulturerbe von der Stiftung Industriedenkmal in Dortmund. Bereits zum zweiten Mal bewirbt sich das Ruhrgebiet. Beim ersten Mal musste das Ruhrgebiet in einigen Punkten nachbessern. Nun soll es mit den Verbesserungen klappen. Die Mischung aus Industrie, Halden, dichten Verkehrsverbindungen in einem riesigen Ballungsraum sei einmalig auf der Welt, argumentiert die Stiftung. (Mehr Infos in diesem Artikel)
In einem komplizierten Gebilde wie dem Ruhrgebiet müssen über 50 Räte und Kreistage der Bewerbung zustimmen. Der Rat der größten Stadt im Ruhrgebiet, der Dortmunder Stadtrat hat zugestimmt. Auch Witten und Hattingen unterstützen die Bewerbung. Viele wie der Stadtrat in Herten haben das aber nur mit erheblichen Bauchschmerzen getan. Herten fürchtet um die Weiterentwicklung des Gewerbegebiets an der Zeche Ewald. Ein Hotel soll hier errichtet werden. Eine Motorworld mit Gastronomie und Oldtimern ist in Planung. Wird das alles noch möglich sein, wenn man erst Weltkulturerbe ist? Dann darf nämlich ähnlich wie bei einem denkmalgeschützten Gebäude kaum etwas verändert werden.
Andere wie die Politik in Bochum befürchtet, dass das Ruhrgebiet nur noch als Museum wahrgenommen wird. Sozusagen als größtes Freilichtmuseum der Welt. „Folkloristisch“, nennt Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) die Bewerbung. Sie unterstreicht das Image, das das Ruhrgebiet eigentlich loswerden will. Kohle und Stahl waren gestern, genau das feiert aber das UNESCO-Welterbe. Das Ruhrgebiet will als lebendige Region mit Universitäten und Technologiezentren wahrgenommen werden. Deshalb lehnt beispielsweise die Politik in Bochum das UNESCO-Projekt ab. Auch Gelsenkirchen und Duisburg können wenig mit der Idee anfangen.
Die Mehrheit der Räte ist zwar für die Bewerbung, das will aber nichts heißen. Ein solches Projekt gegen Essen, Bochum, Gelsenkirchen und Duisburg durchzusetzen, ist kaum vorstellbar. Die deutsche Welterbe-Kommission darf aber pro Jahr nur ein Projekt vorschlagen. Das Ruhrgebiet hat starke Konkurrenz. Der Grenzwall Limes will Weltkulturerbe werden, das Städtedreieck Worms-Mainz-Speyer auch, aus Schwerin soll ebenfalls eine Bewerbung kommen. Gut möglich, dass das Ruhrgebiet also schon im Vorentscheidung rausfliegt.